Der Stellenwert der Wissenschaft Kriminalistik muss erhöht werden. Ihre Einflussnahme auf die Praxis der Straftatenuntersuchung sowie die Lehre an den Fachhochschulen der Polizei und
Hochschulen/Universitäten bedürfen einer aktuellen Bewertung im europäischen Konsens. Das betrifft ebenso die kriminalistische Forschung und die Forschungskoordination.
Die Kriminalistik sollte unter Berücksichtigung der neuen gesellschaftlichen und globalen, insbesondere europäischen, Entwicklung zukunftsfähig gemacht werden. Sie muss auf neue internationale
Kriminalitätsphänomene frühzeitig reagieren und mit helfen, rechtzeitig Methoden zu deren schnellen Aufdeckung und beweissicheren Untersuchung zu entwickeln.
Die mit dem Bologna-Prozess angestrebte europäische Vergleichbarkeit und Vereinbarkeit von Wissensvermittlung darf an der Straftatenuntersuchung, vor allem in der kriminalistischen Lehre, Ausbildung
und Forschung nicht vorübergehen. Die Straftatenuntersuchung durch Polizeibeamte, Richter, Staatsanwälte, Verteidiger, Juristen und anderer Anwender soll durch Maßnahmen begleitet werden,
welche die Qualität der Untersuchung und Beweisführung auf ein höheres Niveau bringen.
Das Verhältnis der Kriminalistik in der Bundesrepublik Deutschland zu der noch nicht ausgeformten und sich in Entwicklung befindlichen „Polizeiwissenschaft“ bedarf einer wissenschaftlich begründeten
Beurteilung. Das betrifft auch das Verhältnis zu den anderen Kriminalwissenschaften, vorrangig zur Kriminologie, Strafrechtswissenschaft, Strafprozessrechtswissenschaft und anderen
Bezugswissenschaften (z.B. Rechtsmedizin, Psychologie, Psychiatrie, Soziologie).
Die Anwendung kriminalistischer Erkenntnisse ist interdisziplinär und nicht ausschließlich auf die polizeiliche Nutzung beschränkt. Den nicht zur Polizei gehörenden Nutzern ist ein größeres Augenmerk
zu schenken. Außerpolizeiliche Anwender sollten in Kriminalistik universitär ausgebildet werden. Das macht die Neugründung von Studiengängen an Universitäten notwendig. Die Deutsche Hochschule der
Polizei hat internen Charakter. Sie versteht sich als eine besondere Aus- und Weiterbildungsstätte der Polizei mit reinem polizeilichem Arbeitsfeldbezug, das in bestimmten Bereichen der Geheimhaltung
unterliege. Sie hat sich nicht für öffentlich-rechtliche Bedarfsträger geöffnet.
Die Erfahrungen und Erkenntnisse der osteuropäischen EU-Länder bei der Gestaltung der Praxis, Lehre und Forschung zum Fachgebiet Kriminalistik dürfen nicht unbeachtet bleiben. Sie müssen im
europäischen Rahmen besser genutzt werden. Neben staatlichen Initiativen ist es notwendig, eine enge Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlich arbeitenden Gesellschaften und Vereinen zur
Förderung und Unterstützung der Kriminalistik zu entwickeln.
Prof. Dr. sc. jur. Rolf Ackermann
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